Die Jugendzeit des Malers Gregor von Bochmann (1850 - 1930)

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geschrieben von seiner Tocher Helene von Bochmann (wann ?); und in das Web Format gebracht von Gregor v. Bochmann, September 2000

Jugendzeit

Mein Vater, Gregor von Bochmann, wurde am 1. Juni 1850 auf dem Gute Nehat bei Hapsal in Estland geboren. Er war Deutsch-Balte wie die beiden bedeutenden Künstler Eduard von Gebhardt und Eugen Dücker, welche auch die Kunstakademie zu Düsseldorf besuchten und dort später ganz ihren Wohnsitz nahmen, das künstlerische "Dreigestirn aus dem Baltenland", wie sie genannt wurden.

Mein Grossvater Jakob, Alexander von Bochmann war Kaiserlich Russischer Kapitän des Försterkorps und Revident der Reichsdomäne des Estländischen Gouvernements. Er machte als Oberst den Krimkrieg mit und wurde wegen seiner Verdienste vom Zaren geadelt. Auch erhielt er das Forsthaus Teibel bei Hapsal vom Zaren zum Geschenk. Dort verbrachte mein Vater seine Jugendzeit. (hier ist eine Karte von der Gegend um Hapsalu, hier Ausschnitt um Nehatu)

Aus der ersten Ehe meines Grossvaters stammen zwei Stiefbrüder meines Vaters. Nach dem Tode der ersten Frau heiratete mein Grossvater die Tocher eines baltischen Arztes, eine geborene Schwarzwald. Der Arzt und seine Frau starben in Ausübung ihres Berufes während einer Cholera-Epedemie. Ihr kleines einhalbjähriges Töchterchen wurde von einem Fräulein von Middendorf, die stets "Grossmutter" den Bochmann'schen Kindern blieb, adoptiert. Mein Vater verlor im fünften Lebensjahre seine Mutter. Ausser den erwähnten Stiefbrüdern war noch ein jüngerer Bruder und eine kleine Schwester da. (siehe Fotoalbum)

Gregor war ein aufgewecktes, stets sehr beobachtendes Kind. Mein Grossvater musste als Forstrevident weite Fahrten über Land unternehmen und blieb wohl tagelang von Hause fern. Oft nahm er den Knaben mit sich, der früh anfing, Land und Leute seiner Heimat zu zeichnen. Abends wurde des Gefährt in den ländlichen "Krügen", estländische Gasthäuser, ausgespannt und dort übernachtet. Die Bilder seiner Heimat zeigen meist einen solchen weiss gestrichenen Krug, umgeben von der schlanken Birke, die stets der Lieblingsbaum meines Vaters geblieben ist und fast auf allen seinen estländischen Bildern so schön in den blauen Himmel steht. Charakteristisch sind sonst auch für sein Schaffen der originelle Ziehbrunnen, welcher vor jedem Kruge ist, und die russische Troika, ein Pferdedreigespann, das meist sehr wild auf den schlechten Sandwegen dahinsaust. Aus der Zeit bis zu Vaters achtem Lebensjahr besitzen wir ein Heft mit Zeichnungen, welche in ihrer Fertigkeit aus dem Gedächtnis gezeichnet, seine grosse Begabung zeigen. Sie waren für Vettern und Kousinen zum Spielen gedacht und wurden zum Glück von einer verständnisvollen Tante aufbewahrt und blieben uns so erhalten. (siehe zum Beispiel B0236 und B0237)

Seine Schulzeit verbrachte Vater auf dem Gymnasium zu Reval (Reval - Tallinn heute). Dort erkannte sein Zeichenlehrer Sprengel, der selbst in Petersburg und Düsseldorf studiert hatte, sein grosses Talent. Er riet meinem Grossvater, seinen Sohn nach Düsseldorf auf die Kunstakademie zu geben und verschaffte ihm, da die Mittel zu einem auswärtigen Studium nicht ausreichten, eine estländische Stiftung, welche der begüterte Adel für grosse Talente ausgesetzt hatte. So kam Vater im Jahre 1868 über Stettin, wo er voller Staunen zum ersten Mal die Eisenbahn bestieg, mit 18 Jahren nach Düsseldorf.

Auf der Akademie absolvierte er in kurzer Zeit die Zeichenklasse und danach arbeitete er ein halbes Jahr in der Landschaftsklasse Oswald Achenbachs, welcher dann seinen Abschied nahm. Im übrigen hatte er der Unterweisung anderer Künstler nicht viel zu verdanken. Er bildete sich durch Beobachtung und eigene Arbeit weiter und sein starkes Heimatgefühl gab seiner Kunst den gesunden Boden. In Düsseldorf verkehrte er hauptsächlich mit dem Kölner Karl Seibels, dem Danziger Robert Meyerheim, dem Schleswig-Holsteiner Hans Peter Feddersen und dem Wiener Hugo Dernaut. Aber auf seine künstlerische Entwicklung hatten auch diese Freunde kaum einen Einfluss. Neue Eindrücke empfing er auf wiederholten Reisen in Holland, wo er treffliche Motive für seine späteren Bilder fand. Andere Studienfahrten gingen nach Belgien und Rügen. Die feine Art seines malerischen Sehens hat er auf dem Wege unausgesetzter Hingabe an die Erscheinungen der Nature erlangt.

Mein Vater hat bis zu seiner Heirat 1877 immer bei derselben Familie gewohnt. Allerdings wechselte das Ehepaar stets am 1. Mai die Wohnung. An dem Tage wurde morgens meinem Vater, ehe er zum Atelier ging, gesagt, dass er abends seine Sachen in einem anderen Hause finde würde. So lernte er die verschiedensten Gegenden des damaligen "Dorfes and der Düssel" kennen.

In Reval warteten die Seinen mit grossem Interesse auf die Nachrichten des jungen Künstlers. Auf seine Berichte gibt folgender Brief seines Zeichenlehrers eine Antwort:

Reval, 20. Oktober 1868.
Mein lieber Bochmann!
Zuerst meinen Dank für Ihren Brief, nach dem Ihr Vater und ich schon grosse Sehnsucht hatten.
Gottlob, dass Sie nun wohlbehalten und gut geborgen am Orte Ihrer Bestimmung angelangt sind und bereits auch dort im alten, guten, mir so lieben Düsseldorf Freundlichkeiten und Teilnahme gefunden haben. So haben Sie nun den ersten wichtigen, ja für die Zukunft entscheidenden Schritt getan, und dass Ihr Vorgehen auf der betretenen Bahn nicht nur von uns - Ihrem Vater, mir, Schlichting, Schlaters, Egold - sondern von der ganzen Stadt - ich kann es mit Recht sagen - mit der grössten Spannung, mit dem ungeteiltesten Interesse verfolgt werden wird, davon können Sie überzeugt sein. Man hofft Grosses von Ihnen, rechtfertigen Sie zu Ihrem Ruhm - Ihrer Vaterstadt zur Ehre - diese Hoffnung ....... Als ich Ihren Brief empfangen hatte, machte er gleich hier die Runde in der Stadt bei einer Menge Leute, die sich so lebhaft für Sie interessieren, und abends im Klub drehte sich die Unterhaltung lange Zeit um Sie und Ihre Zukunft. .........
Grüssen Sie Gebhardt, Plathner, Brinkmann, Northen, Wille und alle, die sich meiner noch erinnern. .......
Nun seien Sie fleissig und guter Dinge, leben Sie wohl.
In Liebe
      Ihr A. Sprengel.

In der nächsten Zeit machte Vater sich selbständig und hatte sein eigenes Atelier. Im Jahre 1876 malte er ein 2 Meter grosses Bild, welches bei Schulte ausgestellt, das grösste Aufsehen erregte. Das Motiv ist ein schlichtes Gotteshaus in Röthel-Estland. Ein grosser Friede geht von dem Bilde aus. Rings um die Kirche von einer Steinmauer umgeben, liegt der Friedhof. Viele ausgeschirrte Pferde, Troikas, allerhand Volk, sind im Vordergrund; es ist die zur Andacht kommende Gemeinde aus dem entfernt liegenden Kirchsprengel.

Dieses Gemälde wurde sofort nach England verkauft.

Meine grosselterliche Familie mütterlicherseits war befreunded mit dem Ehepaar von Gebhardt. Dort war mein Vater bei dem 12 Jahre älteren Meister Gebhardt häufiger Gast und lernte hier auch meine Mutter Milla Poensgen kennen. Das eindrucksvolle Bild "Roethel" brachte meiner Mutter den Künstler noch näher.

Schon im Sommer 76 auf einer Reise nach Holland (hier ist ein kleines Bild aus Haarlem, Holland, vom 10. September 1877) verlobten sich meine Eltern und heirateten im Mai 77. Bei dieser Gelegenheit hatte Herr von Gebhardt durch den Revaler Sprengel einen Maamees malen lassen, einen estnischen Bauern, genannt Bauernkerl, und in dessen Namen aus der Tiefe seiner eigenen Seele richtete er an den Bräutigam folgende Worte:

Ich bin kein Bild aus alter Zeit,
Kein Denkmal grosser Vergangenheit.
Eine kleine Welt nur hab' ich gesehn
Und enge Wege nur lernte ich gehn.
Doch die Wege, die mir die liebsten sind,
Das sind die Wege, die ich als Kind
Schon kannte, die Wege nach Hause.

Nicht viele Sprachen hab' ich gelernt;
Doch, als ich von Hause war entfernt,
Da, wo sie unser Lied nicht kannten,
Sie unser Sprichwort nicht verstanden,
Da freute mich nichts im Herzen so sehr
Als Worte, die ich von alters her
Schon kannte, als Grösse von Hause.

Nun kennen wir Dich, Dein treues Gemüt;
Dein altes estländisches Herze sieht
Dir aus den guten Augen noch heut.
So wissen wir, dass es Dich erfreut,
Wenn heute am Tag Deiner Ehren
Auch wir zugegen wären,
Wir Esten mit Grössen von Hause.

So gingen wir Maler Sprengel drum an
Er solle malen, so gut er kann,
Einen richtigen Maamees nach dem Leben
Und in den sprechenden Mund ihm geben
Die Wünsche, die uns die teuersten sind:
"Mögest Du finden als richtiges estländisches Kind
Dein Glück stets im eigenen Hause.

Der zweite Wunsch, der uns erfüllt:
"Es möge wachsen mit jedem Bild,
Das Du machst, Deine Kraft, Dein ernstliches Streben,
Deine Freude am kernig gesunden Leben,
Dass in der Tiefe und in der Höh'
Dein Blick stets weiter und weiter seh'
Im ernsten Dienste der Kunst."

Und noch ein Wunsch uns am Herzen ist:
Wir kennen ja Dich, der Du ferne uns bist
Doch als den Unsern.
Denn sogst Du nicht Deines Lebens Mark
Aus dem Boden, in welchem auch wir so stark
Unsere Wurzeln geschlagen?
Du sprichst sie ja aus mit jedem Bild,
Die Treue, die Liebe, die Dich erfüllt,
Die Liebe zur Heimat.

Wenn Du die heimische Fläche siehst,
Die Birken und Gränenwälder begrüsst,
Klopft denn das Herz nicht auch Dir?
Und grüsst Dich eine bekannte Stimme
"Terre, Terre Jummala nimme,"
(Guten Tag, in Gottes Namen.)
Fühlst Du nicht denn wie wir?
So ist unsere Bitte, zähle auch Du
Dich in der Ferne den Unseren zu.
Die Heimat, sie bleibe Dir teuer.