In der deutschen Malereigeschichte um die aufbruchsfreudige Wende vom 19. zum 20. Jh. hat der Künstlername Hans Peter Feddersen einen markanten Klang. Zwar genießt Hans Peter Feddersen nicht die Berühmtheit eines Max Liebermann, noch nicht, aber sein malerisches Œuvre zeigt durchaus stilistische und thematische Parallelen zum Werk seines großen Berliner Kollegen. Die beiden Künstler kannten sich, auch wenn Hans Peter Feddersen seit 1885 auf seinem Friesenhof im Kleiseerkoog nahe Niebüll lebte und arbeitete und Max Liebermann 1884 nach Berlin zurückkehrte und dort seit 1894 in seinem Haus am Pariser Platz neben dem Brandenburger Tor residierte. Gegensätzlicher konnten ihre Lebenswelten kaum sein, der eine in der pulsierenden Kapitale und Hauptstadt des wilhelminischen Kaiserreichs, der andere in der gern als Einöde betrachteten nordfriesischen Landschaft in Schleswig-Holstein, ehemals Teil des Herzogtums Schleswig, das wie der Landesteil Holstein 1864/1867 aus dem deutsch-dänischen Gesamtstaat herausgelöst und dem preußischen Staat einverleibt wurde. Dort die Metropole, in der kunstpolitisch auf heftige Weise der „Kampf um die deutsche Kunst“ ausgefochten wurde. Vom Hof protegierte Historienmalerei im Stile idealisierenden Realismus oder uniformknopfgenauen Naturalismus eines Anton von Werner stand gegen französisch beeinflusste Wahrhaftigkeitsmalerei mit neuer Sicht auf Leben, Menschen und Landschaft. Hier die ländliche Region im Norden Deutschlands nah an der Grenze zum Königreich Dänemark, die seit den 1890er Jahren, genau genommen seit Gründung der Schleswig-Holsteinischen Kunstgenossenschaft 1894, mit heimischen künstlerischen Kräften eine eigene Blüte der Malerei erlebte – nach der Integration in die deutsche Akademie- und Kunstszene und fraglos unter dem Einfluss impressionistisch geprägter Freilichtmalerei. Gründungsväter der Schleswig-Holsteinischen Kunstgenossenschaft waren die vier holsteinischen Maler Hans Olde, Fritz Stoltenberg, Georg Burmester und Julius Fürst. In der preußischen Provinz Schleswig-Holstein wurde dem neuen, hellfarbigen Malstil zu dieser Zeit kein Widerstand mehr entgegengesetzt, spiegelte doch die frische Landschaftsmalerei die charakteristischen Reize der Region zwischen den beiden Meeren authentisch wider.
Die neue malerische Landesschau half den Schleswig-Holsteinern, die mehr widerstrebend als willig Preußen geworden waren, das eigene Landesbewusstsein zu stärken. Sie stiftete nun auf ästhetischer Ebene kulturelle Identität, wie vordem auf landespolitischer Ebene die geschichtlichen Ereignisse der Erhebung von 1848 gegen Dänemark und die daraus folgenden kriegerischen Auseinandersetzungen. In Berlin mündete der Protest gegen die akademisch sanktionierte Kunst nach dem Vorspiel der Gruppe der XI von 1892 in die Gründung der Berliner Secession 1898 unter der Führung von Max Liebermann und Walter Leistikow. In Schleswig-Holstein gab es weder eine Kunstakademie noch eine Abspaltung fortschrittlicher Künstler, sondern ein gemeinschaftliches Bestreben unter den hier im Lande oder auch außerhalb tätigen schleswig-holsteinischen Künstlern und Künstlerinnen, in neuer Freilichtmanier das zu malen, was auch in Paris, Weimar oder Berlin gemalt wurde: Motive der näheren, vertrauten Umgebung, wenn man nicht heimatlich sagen möchte. Ein Begriff, der lange mit dem Odium des Provinziellen belastet war. So gesehen waren die etwa 100 schöpferischen Kräfte, die sich in der Schleswig-Holsteinischen Kunstgenossenschaft zusammenschlossen, die malerische Avantgarde in Schleswig-Holstein – ungeachtet der „Artenvielfalt“ der individuellen künstlerischen Handschriften zwischen Realismus, Impressionismus, Jugendstil und später Expressionismus. Es war die Glanzzeit der schleswig-holsteinischen Malerei. Der nordfriesische Künstler Hans Peter Feddersen, von Anfang an im Vorstand der Schleswig-Holsteinischen Kunstgenossenschaft und in den Krisenjahren von 1919 – 1922 ihr starker Vorsitzender, regelmäßig Jury-Mitglied, wenn es um die korporative Auswahl für regionale und überregionale Ausstellungen ging, oftmals der Repräsentant auf Delegiertenversammlungen, er wurde der bedeutendste Exponent der fortschrittlichen Malerei in Schleswig-Holstein, die fraglos anerkannte Autorität im Lande – auf Augenhöhe mit der Kunst seiner Zeit. Vergleichbar hohen Rang hatte der holsteinische, in Seekamp an der Ostseeküste schaffende Maler Hans Olde (1855 – 1917), der die neue Pariser peinture aus eigener Anschauung kannte, seine Malerei konsequent bis zu pointilistischen wie formauflösenden, rein farbathmosphärischen Anverwandlungen trieb und später Akademiedirektor in Weimar und Kassel wurde. So hatte jede Küste ihren prominenten Meister.
Hans Peter Feddersen war der eigentliche malerische Entdecker der nordfriesischen Landschaft. Im Kontext seiner Zeit betrachtet war er – so kann man vielleicht etwas überspitzt formulieren – seine eigene „Secession“. Keiner der abspalterischen Künstlervereinigungen zugehörig wie etwa andere schleswig-holsteinische Künstler der Berliner Secession (u. a. Hans Olde, August Westphalen, O.H. Engel, Ludwig Dettmann, Jacob Alberts), aber tragende Säule in der Schleswig-Holsteinischen Kunstgenossenschaft, Mitglied auch im Nordwestdeutschen Künstlerverein, entwickelte Hans Peter Feddersen in der nordfriesischen Abgeschiedenheit des ererbten Hofes im Kleiseerkoog über sechs Jahrzehnte ein großes, ja großartiges Œuvre – in der stets empfänglichen Schau auf seine nordfriesische Landschaft. Bereit, als Maler die grandiosen Naturstimmungen aufzunehmen, die sich nur hier über der weiten Ebene so erhaben und machtvoll ausdehnen. Das große Naturgeschehen in abgelegener Landschaft fand in Hans Peter Feddersen endlich einen adäquaten Gestalter. Es war gewissermaßen die rechte Zeit, denn sein Werk entfaltete sich in der Sternstunde der europäischen Malerei, im Triumphzug des Impressionismus.
Einfallstor für die moderne Malerei von Monet, Sisley, Pissaro u. a. französischen Meistern war die Großherzogliche Kunstschule in Weimar, an der Theodor Hagen als Landschaftsmaler unterrichtete. Hagen war 1871 von der Düsseldorfer Kunstakademie an die Kunstschule in Weimar gewechselt, erschloss sich und seinen Schülern die aktuelle französische Malerei, zunächst die lyrischen, dunstig-umflorten Bilder der Landschaftsschule von Barbizon mit ihren neuen Motiven des intimen Naturausschnitts und anschließend, gegen Ende der 1880er Jahre, die Avantgarde der Impressionisten. Die bald berühmte Weimarer Malerschule war vor den anderen deutschen Akademien die erste künstlerische Ausbildungsstätte, die die Rezeption moderner französischer Malerei einleitete und große Wirkung erzielte. Die gleichsam mit „Regielicht“ effektvoll inszenierte, gern dramatische Landschaftsmalerei der Düsseldorfer Akademie, die vorher diese Gattung beherrschte, wurde nun – kurz gesagt – vom neuen Pleinairismus abgelöst. Hans Peter Feddersen war Anfang 1871 seinem Lehrer Theodor Hagen aus Düsseldorf nach Weimar gefolgt, denn „in Weimar wehte eine frische Luft“, wie er sich später zu diesem Akademiewechsel äußerte. Auch Max Liebermann studierte, wenn auch nur für kurze Zeit, in Weimar, war dort schon 1868 zu finden und hatte auch verschiedentlich Kontakt zu Theodor Hagen. So reiste er 1870 gemeinsam mit Hagen den preußischen Truppen als Sanitätsfreiwilliger bis nach Metz nach, von wo er aber bald zurückkehrte, auch begleitete er ihn im Jahr darauf nach Düsseldorf in das Atelier des ungarischen Malers Mihály Munkácsy, den Hagen als Lehrer nach Weimar holen wollte, was am Ende nicht gelang. Liebermanns radikaler, auf heftige Hell-Dunkel-Kontraste abgestellter Realismus seiner Frühwerke unterschied seine Kunst doch sehr vom neuen Weimarer Malton, auch war er zu kurze Zeit am Orte, um künstlerisch mit der Weimarer Malerschule in Verbindung gebracht zu werden. Doch war es wohl um 1871/72, bevor Max Liebermann sich dann nach Paris und weiter nach Holland aufmachte, dass Hans Peter Feddersen und Liebermann sich im Umkreis von Theodor Hagen begegneten.
Dass sie sich gegenseitig sehr schätzten und sich gern an ihre Begegnung „vor über 50 Jahren“ in ihrer Jugend- und Anfangszeit als Künstler erinnerten, lässt sich aus späteren Briefen von 1925 erschließen. Jeder besaß vom anderen eine Zeichnung. In einem Brief von Max Liebermann an Hans Peter Feddersen, datiert vom 25.8. [19]25 und geschrieben in seinem Gartenhaus am Wannsee, heißt es: „Sehr verehrter Herr Kollege, als mir unser gemeinschaftlicher Freund Engel Ihre Skizze meiner Hand zum Signieren überbrachte, hatte ich eine theils wehmütige, theils freudige Überraschung: über 50 Jahre, ein ganzes Leben fast, waren inzwischen vergangen. Zwar darf ich mich nicht beklagen, aber »wie wir einst so glücklich waren«, der Goethesche Vers kam mir in den Sinn und wie es jetzt so traurig in der Welt ausschaut im Vergleich zu damals, als wir mit vollen Segeln ins Leben lossteuerten. – Doch ich freute mich auch wieder über das kleine Bildchen […]: eine Zigeunertruppe war nach Weimar gekommen und hatte sich auf der Chaussee nach Belvedere gelagert. Mehr noch als die Skizze selbst hat mich aber gefreut, dass Sie sie in so treuer Obhuth bewahrt haben, ein Zug liebenswürdiger Kollegialität, wie mir in meinem ganzen Leben kein zweiter (leider, leider) vorgekommen ist.- […] Seien Sie überzeugt, dass ich Ihre Skizze, wenn Sie sie mir dedicieren, treulich bewahren werde, dass ich aber auch ohne sie Ihrer und unserer gemeinschaftlich verlebten Jugendjahre nicht vergessen werde.“ In einem zweiten Brief vom 5.9.[19]25, wieder vom Wannsee abgeschickt, bestätigt Liebermann den Empfang von Feddersens Skizze: „ich erhielt die prächtige Studie, die Sie mir gütigst dediciert haben und ich beeile mich Ihnen aufrichtigen Dank für das schöne Geschenk zu senden. Auch ist mein Urtheil über Ihre Arbeit dasselbe geblieben, wie vor mehr als 50 Jahren. Sie haben das alte Weib – in der ich eine meiner Glaubensgenossinnen zu erblicken glaube – einfach herunter gemalt, wie S i e sie sahen. Und das ist immer noch mein Credo trotz allem gegenwärtig grassierenden Unsinns: wer die Natur nicht eigenthümlich, d. h. original anschaut und das Erschaute nicht mit den Mitteln des Malers wiedergeben kann, ist kein Künstler, mag er sich stellen, wie er will, als Dichter oder Musiker. Ein Maler ist er jedenfalls nicht. Mit Spinoza ist mir Gott und Natur gleichbedeutend und überall sehe ich in der Natur Göttliches und im Göttlichen Natur. Heut wie damals mit dem natürlichen Unterschied, dass ich damals naiv empfand, was ich heute mir philosophisch verständlich zu machen suche. Auch glaube ich mit Wilhelm Busch: »was mal so ist, muß mal so werden«. Alles, was aus dem Menschen wird, steckt in ihm und Lernen, Erfahrung, kurz, alles von außen her – und das ist nicht wenig – können nur aus dem Innern des Menschen herausholen wollen, aber hineinlegen können sie nichts, wenigstens nichts wesentliches. Beweis: Ihre Studie. Sie stecken darin und deshalb ist sie ein Kunstwerk.“ Er unterschreibt mit „Ihr alter Freund Max Liebermann“. Nicht von ungefähr war es unter der Präsidentschaft von Max Liebermann, dass Hans Peter Feddersen 1926 als Mitglied in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen wurde, was eine große Auszeichnung bedeutete.
Wie wir aus einem frühen Brief von Hans Peter Feddersen aus dem Jahre 1876 erfahren, in dem er seiner Braut Margarethe Hansen (Kosename Ething) sein Zimmer in Weimar schildert, hing unter den etwa zwanzig Bildern darin „ein großes Bild von Liebermann, Neffen des Mannes, der mein Bild gekauft hat […]“. Um welches große Bild, vermutlich ein Ölbild, es sich handelte, ist noch nicht weiter erforscht; wohl wissen wir aber, welches Bild Adolf von Liebermann in Berlin, der Onkel von Max Liebermann, bei Feddersen gekauft hatte. Es war das lange verschollen geglaubte Ölgemälde „Russischer Wochenmarkt“ (WV 126), das sich seit kurzem im Museum „Kunst der Westküste“ in Alkersum auf Föhr befindet.
Wie nah sich beide Künstler waren, nicht nur vom Geburtsdatum her, Liebermann wurde 1847 und Feddersen 1848 geboren, sondern auch in ihrer künstlerischen Auffassung, das erhellt schon die Passage aus der Korrespondenz. Von gleicher Gesinnung über die Natur als unerschütterlich gültiges Vorbild zeigt sich genauso Hans Peter Feddersen, wenn er 1918 in einem Brief an den befreundeten Schriftsteller Wilhelm Lobsien schreibt: „Als Studienmaler stehe ich der Natur objektiv und streng wissenschaftlich gegenüber (natürlich kann ich meine Handschrift nicht verleugnen), als Bildermaler verwerthe ich die als Studienmaler erworbenen Kenntnisse lediglich als Instrument, um meinem Inneren Ausdruck zu verleihen. Die seligsten Momente des Schaffens waren aber für mich die, wenn die Natur in so vollendet herrlicher harmonischer Größe vor mir lag, daß nichts hinzuzufügen, nichts wegzulassen war. Da erkannte man zwar seine eigene Unzulänglichkeit der Wiedergabe, war aber doch beglückt…“
Freilich, beider Lebensläufe und Karrieren können, wie schon angedeutet, unterschiedlicher kaum sein, dennoch gibt es Berührungspunke in beider Œuvre. Es geht um die Themen des einfachen Lebens, der eher unscheinbaren Menschen aus der Vielfalt der Bevölkerung, die bislang weithin noch kein ernsthaftes malerisches Sujet für die große Leinwand gewesen waren. Liebermann fand sie bekanntlich in Holland, beim Gänserupfen, Korbflechten, Konservenmachen, Netzeflicken, beim Nähen, Stopfen und Kartoffelernten, in Waisenhäusern oder Altmännerhäusern. Hans Peter Feddersen fand sie in seiner frühen Zeit bei seinen Besuchen in Masuren 1872/73, polnische Kinder, Frauen, Männer auf dem Lande, eine polnische Frau beim Wollekratzen (WV 124), Zigeunerjungen und die im Format relativ großen Szenerien der polnischen oder russischen Dörfer und Wochenmärkte. Ebenso intensiv beobachtete er die Menschen in seiner nordfriesischen Heimat, malte vorzugsweise die Alten mit ihren vielen markanten Lebensspuren in ihren noch traditionell ausgestatteten Friesenhäusern, gern am wärmenden Bileggerofen oder aber in der Lebensader des Hauses, in der Küche am Feuerherd. „Staatsbilder“ wie „Die alte Sösk am Herd, Klockries“ (WV 140), „Momme Lorns am Ofen“ (WV 142) oder „Friesischer Bauer aus Lindholm“ (WV 174) entstehen 1875.
Aber auch Armenhäusler, Vagabunden und Zigeuner sind ihm malerische Motive ländlichen Lebens am Rande der Gesellschaft. Diese Bilder überzeugen durch malerische Qualität, Freude am Kolorismus und durch einfache Wahrheit. Sie vermeiden sentimentale Genrezutaten, ebenso einen sozialkritischen Einschlag; in allem sehen wir sie in avantgardistischer Kunstverwandtschaft zu vergleichbaren Themen Max Liebermanns – auch wenn Hans Peter Feddersens Friesenbilder fraglos mehr im Spezifischen der kulturellen Überlieferung friesischer Tradition wurzeln und weniger forciert auch Motive der Arbeit einfacher Leute behandeln. Weitere Parallelen lassen sich bei Motiven wie „Holländische Netzflicker“ in Scheveningen (1884, WV 378), „Wollkratzerin“ (1886, WV 423) oder der vor dem Bauernhaus tätigen Frau (1886, WV 410) ziehen, wobei gerade das in vielen Studien seit 1884 vorbereitete Gemälde „Netzflickerinnen“ von 1889 zu Max Liebermanns berühmtesten Bildern gehört und Hans Peter Feddersen seine Darstellung auf einer Hollandreise malte, also eigentlich in Liebermanns Revier… Hans Peter Feddersens „Eimer waschende Frau vor der Stalltür“ (WV 410) erscheint wie ein Pendant zu Liebermanns Gemälde „Holländisches Bauernhaus mit Frau“ von 1882. Die dem schlichten Motiv abgewonnenen malerischen und koloristischen Reize, die Entdeckung der Schönheit in der Einfachheit waren beiden Künstlern leitende Gedanken und Empfindungen. Die seinerzeit aktuelle Haager Schule mit wichtigen Protagonisten wie Jozef Israëls, Jacob Maris oder Anton Mauve, die niederländische Landschaftstradition mit moderner Pleinairmalerei verband und in ihren Themen des Einfachen quasi einen „Bildersturm“ entfesselte, stand als anregendes Vorbild im Hintergrund.
Wir wollen den Vergleich in den Einzelheiten aber nicht ausufern lassen, das wäre das Anliegen einer speziellen Studie. Daher beschränken wir uns nur noch auf einen weiteren, wichtigen Aspekt. Ebenso wie Max Liebermann seinen Sommersitz am Berliner Wannsee, Haus und Garten, in unzähligen Gemälden malerisch erforschte, rückt auch Hans Peter Feddersen seinen Friesenhof im Kleiseerkoog durch die Jahrzehnte seines Schaffens immer wieder einmal in den Mittelpunkt seines malerischen Interesses. Auch seine Bilder zeigen Haus und Garten, bald auch sein freistehendes Atelierhaus, in verschiedenen atmosphärischen Stimmungen, sozusagen durch die warmen und kalten Jahreszeiten. Vor allem in den Frühlings- und Sommerbildern von Haus und Garten spürt er mit den Mitteln der subtilen, Stimmungswerte akzentuierenden Malerei den Momenten voller Poesie in der Natur nach. Das impressionistische „Urbild“ für die lichtgereizte Wiedergabe des eigenen Künstlerhauses wie des Künstlergartens schuf Claude Monet, anfangs mit Bildern in Argentheuil und Vétheuil und später in Giverny, wo bekanntlich die finalen Bilder zu diesem speziellen Sujet entstanden - die weltberühmte Serie der Seerosen-Bilder eingeschlossen.
Es war wohl die Erfüllung einer starken Sehnsucht, dass Hans Peter Feddersen 1885 mit seiner Frau Margarethe auf deren elterlichen Hof zurückkehrte, der sein Künstlerhaus wurde. Denn schon in früheren Weimarer Tagen hatte er seiner damals noch zukünftigen Frau in einem Brief 1875 geschrieben: „Aber der Mensch, sogar der Künstler, lebet nicht von Kunst und Kunstgenüssen allein, sondern neben der leiblichen und geistigen Speise, will er auch seelisch genüsslich gespeist werden. Der Mensch will dann und wann ein allgemein menschliches, zu Herzen gehendes Wort hören. Nun ist mir dieses Bedürfnis noch nie so fühlbar gewesen, als jetzt nach meiner heimathlichen Reise, wo demselben so vollkommen Genüge gethan wurde und nach welcher ich es mal wieder so recht gefühlt habe, daß ich Friese durch und durch bin und daß friesischer Sinn und friesisches Wort meinem Herzen am willkommensten sind.“ Ein Bekenntnis im Alter von 27 Jahren, das er erst zehn Jahre später mit 37 Jahren malerisch in die Tat umsetzen konnte.
Er kehrte dorthin zurück nach seinen akademischen Studienjahren in Düsseldorf und Weimar wie nach seinen bereits genannten Reisen nach Masuren und Holland, nach seiner großen Italienfahrt 1877 und auch nach seinen ersten Berufsjahren im Rheinland. Fraglos haben alle Stationen der Frühzeit sichtbare Spuren in seinem Œuvre vor 1885 hinterlassen. Als Adept der Düsseldorfer Landschaftsschulung sehen wir ihn etwa in Bildern mit gesuchter Komposition wie „Mühle im Wald“ (1870, WV 30), „Dagebülldeich mit Kirche“ (1872, WV 81) oder „Am Spirdingsee“ (1873, WV 95), in denen die absichtsvolle, auf Effekt zielende Komposition die Naturwahrheit noch überhöht und zum inszenierten Bild steigert. Die Kunst der geschickten Kompilation landschaftlicher Versatzstücke zeigen große Bilder wie „Landschaft mit Flößen“ (1873, WV 91), „Flusslandschaft“ (1884, WV 372) oder auch die gezirkelten italienischen Kompositionen „Römische Campagna mit Campagnolen“ (1878, WV 256) und „Italienische Landschaft“ (1879, WV 280), von denen nur wenige und auch nur in der Frühzeit entstanden sind. Im frischen Wind von Weimar malt er zarte lyrische Landschaften von duftiger Atmosphäre wie etwa die Beispiele „Birken vor Parkmauer“ (1872, WV 65), „Moorhäuser“ (1872, WV 89), „Gartenecke“ (1876, WV 180) oder „Baumbestandene Landschaft im Abendlicht“ (1876, WV 1494) und etliche weitere Gemälde zeigen, merklich noch im Zeichen von Barbizon; oder anders gewendet: Bilder „wie im Negligé“, wie die zeitgenössische Kunstkritik den neuen Weimarer Landschaftsstil nannte. Andere Gemälde mit radikalerer Lichtmalerei wie „Blütenbäume bei Weimar“ (1875, WV 135), „Blütenbaum Uerdenbach“ (1883, WV 344), auch „Spätland bei Maasbüll“ (1883, WV 346), und „Blühende Obstbäume“ (1884, WV 363) sowie einige lichtvolle Dünenbilder aus den 1880er Jahren und „Häuser im Schnee“ (1890, WV 457) signalisieren die Auseinandersetzung mit impressionistischer Freilichtmalerei. Die Gemälde „Mein Haus zur Zeit der Rapsblüte“ von 1892 (WV 468) und „Nordfriesische Dorfstraße“ von 1894 (WV 501) repräsentieren zwei der Spitzenbilder, die Hans Peter Feddersen unter diesem Vorzeichen schuf.
Die Bilder, die unter der Sonne des Südens in Italien, z. B. in Venedig, in Rom und Tivoli, in der Campagna und auf Capri, entstanden und z. T. ausgiebig die starke Wirkung von Licht und Schatten wie das scharfe Licht des Südens artistisch ausprobieren, bilden eine eher extravagante Werkgruppe im Gesamtœuvre. Auch hier sind es vor allem die ausgesprochen malerischen Winkel und das Volk auf dem Markt oder Straßenszenen im römischen Ghetto, auch ein Trödelladen, stillebenhaft in der ordentlichen Aufhängung der abgetragenen Kleider, die ihn als realistischen Maler herausfordern. Dabei vermeidet er alles aufgesetzt Pittoreske, wie es noch die Generation seines Düsseldorfer Lehrers Oswald Achenbach sozusagen als malerische Würze beim Italien- oder Norwegen-Genre geliebt hatte. Er findet seine Motive fernab der schon auf der Leinwand vieler deutscher Italienmaler ausgetretenen Bildpfade, sprich: der endlos wiederholten touristischen Ansichten Venedigs oder Roms. Er geht sozusagen unter das Volk in die Gassen Roms oder auf die stilleren Plätze in Venedig, um die beiläufigen Schönheiten am Wege ins Licht zu setzen. Etwa das Bild „Campo S. Moisé“ (WV 212), das eben nicht die bekannte, überreich skulptierte Fassade der Kirche aus dem 17. Jahrhundert zeigt, sondern seitab eine verwitterte, schmale Fassade einer kleinen Kapelle, eingebaut in die Häuserflucht am Platz. Die ochsenblutrote Farbe an Venedigs Fassaden hat ihn koloristisch besonders gereizt. Oder jenes der „Piazetta dei Leoni“ mit einem Brunnen vor der Säulenfassade der ehem. Kirche San Basso (schon Mitte des 19. Jh.s profaniert), ein kleines Plätzchen im Windschatten des weltberühmten Markusplatzes (WV 211). Ähnliches gilt für die Motive vom Garten der Villa d’Este in Tivoli, keine berauschenden Panorama-Ansichten à la Hackert oder Blechen, die Wasserfälle (WV 227) einmal ausgenommen, sondern mehr recht nah genommene Ausschnitte der Gartennatur, Brunnen, Kleinarchitekturen und des üppigen Pflanzenwuchses. Dieselbe Auffassung verraten auch die lichtüberfluteten Bilder von Capri. Bei den Darstellungen der „wilden Natur“ der Sabiner Berge wandelt er unverkennbar noch auf den Pfaden der Tradition romantischer Natursicht. Hans Peter Feddersen „punktet“ bei seinen italienischen Bildern mit schlagkräftigem, großzügig raffendem Pinselduktus, mit warm-atmosphärischem, natürlichem Sonnenlicht, alles andere als brennend aufgeladen, verliert sich nicht in Details. Diese Bilder, oft in Öl auf Papier gemalt und dann auf Leinwand aufgezogen, haben durchaus den Charakter von Studien mit dem Charme der ersten Begegnung mit den Erscheinungen des Südens.
Die Fühlung mit seiner nordfriesischen Heimat hat Hans Peter Feddersen auch während seiner Studien- und Wanderjahre nie verloren. So malte er bereits 1872 Bilder von den Sylter Dünen, die in der nahen Sicht auf diese urtümliche Landschaft und der genauen Naturwiedergabe, fortschrittliche Tendenzen der Weimarer Landschaftsschule, im Grunde genommen die Freilichtmalerei in Schleswig-Holstein einleiteten, auch wenn die Palette noch relativ gedecktes Kolorit zeigt. Gern auch präsentiert er die einzigartigen Naturgebilde der Sanddünen unter hochgezogenem Horizont. Hans Peter Feddersen gehörte als Einheimischer unter den programmatisch sich neu orientierenden auswärtigen Malern etwa aus Düsseldorf zu den ersten Künstlern, die in intensiven Studien und ausgeführten Gemälden die Naturschönheit der Nordsee-Insel entdeckten, denn Sylt wurde bald zu einem der attraktivsten Ziele für Pleinairisten aus allen Teilen des Kaiserreichs. „Die Dünen sind so etwas wie ein ‚Fortschrittsthema’ in der Malerei des 19./20. Jh.s. Im großen Lauf der Linien wie in der steten Veränderlichkeit dem Meere nicht nur räumlich nah, sondern auch gewissermaßen elementar verwandt, zwingt das Dünen-Thema den Maler zur stärkeren Konzentration, zur malerisch geklärten Sicht – latente Abstraktion, ein Schritt zur Moderne. Die Inseln der Westküste, Sylt, Fanö oder Röm, werden bekanntlich nicht von ungefähr zum Dorado der Maler, die das Elementare suchen, die den Malerblick an der großartig-‚öden’ Simplizität der landschaftlichen Erscheinungen sozusagen neu ‚justieren’ wollen“ (Hans-Günther Andresen in: BilderHeimat, Kiel 1996, S. 38).
Fraglos äußert sich Hans Peter Feddersens Heimatverbundenheit genauso in den Bildern friesischer Lebenswelt, die schon erwähnt wurden. Solche Bilder des Altfriesischen aber alarmierten den älteren Kollegen Carl Ludwig Jessen (1833 – 1917) in Deezbüll, sozusagen „um die Ecke“ gelegen in naher Nachbarschaft zum Kleiseerkoog. In seinem bekannten Brief vom 22. Juli 1883 schreibt Jessen ihm unverblümt, Feddersen solle keine Studien in seinem Revier machen, das er, Jessen, als sein Eigentum betrachtet; weil Feddersen kein Stümper, sondern ein gefährlicher Rivale sei, habe er ein gewisses unbehagliches Gefühl. Zu Recht, denn ganz anders als bei Carl Ludwig Jessen, der in seinen hart-realistischen, schon dokumentarischen Bildern gewissermaßen einen Idealzustand des stolzen Friesentums in musealer Präsentation beschwört, sind Feddersens Interieurs mit Leben und Atmosphäre erfüllt. Hans Peter Feddersen hielt sich zurück und setzte spätestens seit 1885 andere Schwerpunkte. Angekommen im Kleiseerkoog, wird jetzt das unmittelbare Naturerlebnis sein großer Lehrmeister und Lebensthema.
In der Tat schafft Hans Peter Feddersen eine den Betrachter immer wieder begeisternde Bildwelt seiner nordfriesischen Landschaft, die durchaus im aktuellen Lichte impressionistischer Wahrnehmung erscheint – ohne jedoch ihre realistischen Grundlagen aufzugeben. „Bestimmend ist in jedem Falle“ – und hier folgen wir gern Jens Christian Jensen im Ausstellungskatalog Kiel 1979 – „nicht ein Stilwollen, sondern die Bildimagination ist bei den Landschaften, dem Hauptthema, fast gänzlich abhängig von der Natur und dem Naturlicht, den Naturstimmungen, die der Künstler unablässig beobachtet und ins Bild setzt. Der Ausspruch des Malers ‚Es geht nichts über die Natur!’ ist also wörtlich zu nehmen: die Naturwirklichkeit“ – und zwar, so ergänzen wir, die der nordfriesischen Marschen und Watten – „hat dieses Werk geformt.“ Getragen von den luminaristischen Werten der Freilichtmalerei, vollendet er hohe lichthaltige peinture an einem landschaftlichen Gegenstand, der eigentlich lange in dem Rufe gestanden hatte, nur windig, öde, rauh, flach, baumlos und also karg an Reizen zu sein.
Aber – so wagen wir eine etwas kühne Parallele – die Seinelandschaft bei Paris gehört auch nicht in allen Partien zur Kategorie locus amoenus. Und doch haben die Impressionisten in ihren Bildern ein sonnendurchflutetes Arkadien aus ihr gemacht, die roten Dächer der einfachen Dorfhäuser oder schlichte Kohlköpfe in koloristische Ereignisse verwandelt. Vergleichbares haben wir im Werk von Hans Peter Feddersen.
Immer wieder sind es die nordfriesischen Bauernhäuser, die er mit allen von Leben und Alter sprechenden Gebrauchsspuren darstellt. Friesenhäuser oft in Deezbüll, Maasbüll oder Dagebüll, in den Orten seiner näheren Umgebung. Kräftig, packend und voluminös hat er den Farbklang Nordfrieslands in diesen Bildern eingefangen: das leuchtende Rot des Backsteins, das famos in den Nuancen hin- und herschwingende Moosgrün der Reetdächer, die in Linie und Kolorit selbst zu wahren Dach-Landschaften werden, das satte Grün der Marschlandschaft und das Himmelblau darüber. Man müsste hier eigentlich sehr differenziert herangehen, um alle malerischen Kontraste und feinen Werte adäquat zu würdigen, oder die tiefe Ruhe, Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit herausarbeiten, mit der diese Häuser in Feddersens Bildern erscheinen. Wie er sie in eine poetische Anschauung verwandelt und sie trotzdem realistisch, gegenwärtig bleiben. Und wie er die Bewohner in die Bilder einspielt, unaufdringlich, als belebenden Teil der Häuser und Dorfschaften.
Zu seinen Spitzenwerken zählen fraglos die Impressionen vom winterlichen Nordfriesland, die er seit 1901 malerisch anpackte. Kein anderer Künstler hat es je so wie er verstanden, malerische Projektionen von Eisflächen mit schlierigen Spuren und raffinierten Spiegelungen, von bläulichen Schatten auf dem Schnee, von Gehöften in rötlicher Beleuchtung der winterlichen Sonne so überzeugend, mit innerem wie äußerem künstlerischen Ausdruck auf die Leinwand zu werfen. Das Eisthema verfolgt er in mehreren Bildern mit fließendem Übergang vom atmosphärischen Realismus zu jugendstiligen Elementen, sichtbar am ornamentalen Schwung der Linien und der mehr flächenhaft gebauten Farbkomposition, auch am intensiven Blau.
Die wohl ausgereifteste Komposition seines Themas „Winter in Nordfriesland“ schuf er im Jahre 1904 (WV 640). Dieses Gemälde war 1906 im Münchener Glaspalast ausgestellt, auf einer der kollektiven Expositionen der Schleswig-Holsteinischen Kunstgenossenschaft, und knüpfte an den großen Erfolg an, den im Jahr zuvor das dort gezeigte Bild „Winterabend“ (gemalt 1902, WV 595) in der bayerischen Metropole schon erlebt hatte. Hans Peter Feddersen befasste sich in etlichen Varianten, ein Zyklus von zwölf Gemälden, mit diesem Thema der durch winterliches Licht verklärten Schnee- und Eislandschaft in Nordfriesland. Das letzte Gemälde mit dem spezifischen Motiv der Eisflächen vor langgestreckten Gehöften im Hintergrund entstand 1928 (WV 1200). Aufgrund der Stilkritik sind die Aquarell-Fassungen WV 428 und WV 429 wohl auch erst in der Zeit um 1901 bis 1904 entstanden und nicht schon um 1886 bzw. 1887, wie die Einordnung im gedruckten Werkverzeichnis angibt. Problematisch mutet allerdings die Datierung „1887“ auf dem Wasserfarbenbild „Winter in Nordfriesland“ (WV 429) an, die so aussieht, als sei sie nachträglich aufgetragen worden. Ob von der Hand des Künstlers oder von fremder muss einstweilen offen bleiben.Hans Peter Feddersen hat als erster Maler den Charakter der nordfriesischen Landschaft wirklich erkannt und künstlerisch reflektiert. Wir können es gar nicht anders benennen: Das Elementare dieser Landschaft ist immer wieder das eigentliche Kernthema – Erde, Wasser, Luft und Feuer. Und als fünftes Element schließlich das Amphibische, das Feuchte der Watten! Oder konkreter: die weite unaufhaltsame Ebene, die auch der Horizont scheinbar kaum aufhalten kann, die Nordsee in ihrer brüllenden Naturgewalt oder aufreizenden Stille, der Himmel, der als Firmament die Landschaft überwölbt und sich zur malerischen Projektionsfläche des Naturschauspiels der Wolkenbildungen verwandelt – besonders in den großen Landschaftsbildern, die nach 1900 entstanden sind. Und das Feuer, sprich: das Licht, das entsprechend der Stunde des Tages, des Monats der Jahreszeit und der Laune des Wetters die Landschaft illuminiert und die spezifischen Stimmungsreize hervorzaubert. Licht und Finsternis, klare Mittagsluft oder „blaue Stunde“, Verfinsterung der Atmosphäre bei aufziehendem Unwetter, oft exemplifiziert am hohen Himmel. Landschaften, geboren aus poetischem Sinn und kennerschaftlicher Naturbeobachtung, malerische Werke von hoher sensualistischer Kraft und Ausstrahlung. Gemälde wie „Regen in der Einöde“ (1905, WV 686), „Blanker Hans“ (1902, WV 606), „Sommer in Nordfriesland“ (1904, WV 658), „Dramatische Luft“ (1921, WV 1044) „Gewitter über der Marsch“ (1923, WV 989) oder „Ballade“ (1923, WV 1073) betrachten wir abseits von Nolde als finale Formulierungen nordfriesischer Landschaftsbilder der Westküste.
Hans Peter Feddersen wurde über Jahrzehnte so zum großen Schilderer der nordfriesischen Landschaft, ihrer Dünen und Dorfschaften, Marschen und Küsten – in den wiederkehrenden Themen unermüdlich, ohne den Betrachter je zu ermüden, vorgetragen im Ton eines bei aller Gegenstandstreue poetisch angeflogenem Realismus, im Duktus kultiviert, aber frei und selbstbestimmt unter Freilicht und selbst im hohen Alter von erstaunlicher Frische. Hohe Malerei der heimischen Motive, fraglos von bedeutendem überregionalem, ja nationalem Rang, ohne je in die Gefahr des Provinziellen zu geraten. In dieser Perspektive dürften wir Hans Peter Feddersen mit gutem Grund als „Liebermann der Westküste“ bezeichnen und seinem Werk einen ähnlichen Rang zuerkennen wie dem des Malers vom Wannsee.
Seinen Ruhm verdankt Hans Peter Feddersen unbestritten seiner Landschaftsmalerei. Dabei hat er auch als Portraitmaler, obwohl in diesem Fach weniger bekannt, durchaus seine Meriten. Er erfüllte etliche private Portraitaufträge, auch hier das natürliche Vorbild wahrend und in vornehmer Art sich den Modellen malerisch nähernd. Keine Frage, dass er die verschiedenen Modi dieser Gattung beherrschte, formal wie inhaltlich, vom Kopfportrait über Halbfigur bis zur ganzen Figur, von den Charakterstudien bis zum repräsentativen gesellschaftlichen Standesportrait. Von seiner Spannweite als Portraitist zeugen u. a. Werke wie die Bildnisse von „Anna Catharina Volquardsen“ (1880, WV 287), „Carsten Nissen“ (1886, WV 418), „Kommerzienrat Selck“ (1906, WV 695) und „Bothilde Melfsen“ (1907, WV 708), ebenso die ganzfigurigen Portraits der „Tochter Marianne“ (1901, WV 581), des Ehepaars Gertrud und Ernst Hamkens (1908, WV 730, WV 729) oder auch sein „Selbstbildnis“ von 1912 (WV 833).
Ein ganz anderes Thema: Das liebe Vieh, rotbunt auf den frischen, sattgrünen Weiden Nordfrieslands, stehend oder lagernd wie ein kleines Gebirge im Flachland, hat ihn zeit seines Künstlerlebens immer wieder als Gegenstand malerischer Etüden beschäftigt. So gibt es unzählige Kuhstudien und –bilder in seinem Œuvre. Man ist versucht zu vermuten, dass Hans Peter Feddersen erst einmal, bevor er ein großes Bild begann, quasi als „warming-up“ bzw. als Fingerübung, eine Kuh malte… Das Erstaunliche bei der Vielzahl der Kuhbilder ist: Keine Kuh gleicht der anderen. Oder aber man könnte auch denken, dass manche Bilder Tierportraits von den Lieblingskühen seiner Nachbarn sind. „Ja so hat unsere Guschi, die hübsche rotbunte mit der weißen Blesse, ausgesehen.“ Anerkennung als Künstler genoss er auch in seiner unmittelbaren, rein agrarisch geprägten Umgebung. In einer Künstleranekdote, die der befreundete Leopold von Kalckreuth überliefert, kommt es heraus, die große künstlerische Zuneigung gerade zu diesem Genre: „Hans Peter ging hinter den Kühen her, die nicht stillhalten wollen, und Leo hinter Hans Peter. Mit einer Tabakpfeife zwischen den Zähnen machten sie Muh-Muh und suchten ihre wiederkäuenden Modelle in die wünschenswerte Unbeweglichkeit hineinzuhypnotisieren. Aber es ging ihnen auch um die Sommerlüfte, die zwischen den Kuhhörnern reglos zitterten […].“ Angesichts dieser Erlebnisse mit Hans Peter Feddersen auf den grünen Weiden Nordfrieslands schrieb Leopold von Kalckreuth begeistert nach Hause: „Wie gering ist die eigene Phantasie vor der Größe der Natur!“
Gemälde von Hans Peter Feddersen sind in vielen privaten Häusern präsent, vor allem an der schleswig-holsteinischen Westküste, und Familien, die Bilder von ihm besitzen, vererben sie von Generation zu Generation. Man hat fast den Eindruck, seine Kunst sei eine Angelegenheit privater Kunstpflege, bei Ausstellungen wäre man immer auf die Unterstützung privater Leihgeber angewiesen. Was seine Präsenz in öffentlichen Museen betrifft, kann sich der Museumsberg Flensburg rühmen, unter den öffentlichen Sammlungen den größten Bestand an Bildern von Hans Peter Feddersen zu haben und sie auch in Auswahl zu präsentieren. Eine schöne Sammlung birgt auch die Kunsthalle zu Kiel, die aber seit Jahren kaum mehr Feddersen-Bilder in der ständigen Präsentation zeigt. Ein neuer Feddersen-Schwerpunkt verspricht das Museum in Alkersum/Föhr mit seiner neu aufgebauten Sammlung der Kunst der Westküste zu werden. Natürlich haben das Nissenhaus in Husum und das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum in Schleswig auch Feddersen-Bilder in ihrer Sammlung. In Schleswig-Holstein lebt man noch heute mit den Bildern von Hans Peter Feddersen, will sagen, der Grad der Identifikation von Landschaftsmalerei mit Hans Peter Feddersen ist sehr hoch. Manchmal hält man sich lieber Feddersens malerisch hoch verdichtete Bilder der nordfriesischen Charakterlandschaft vor Augen, als dass man auf die heutige Realität blickt, in die zeitbedingte Veränderungen eingezogen sind, u. a. die langen Paraden der stromerzeugenden „Windmühlen“ als neue Vertikalen auf der Fläche. Doch sind die Naturphänomene dieselben geblieben und damals wie heute die reizauslösenden Kräfte.
Zu seinen Lebzeiten war Hans Peter Feddersen auf vielen wichtigen großen Ausstellungen in Deutschland vertreten, u .a. 1906 in der Berliner Jahrhundertausstellung. Die Nationalgalerie in Berlin erwarb eine Dünenlandschaft. In Schleswig-Holstein war er auf fast allen Ausstellungen der Schleswig-Holsteinischen Kunstgenossenschaft dabei, zu seinen Jubiläumsgeburtstagen richteten die hiesigen Museen dem hochverehrten Künstler große Einzelausstellungen aus. Großformatige Mappenwerke zur Malerei und zur Graphik erschienen, die ihn zum Repräsentanten der Landeskultur erhoben. Was Theodor Storm für die Literatur und Dichtung Schleswig-Holsteins und darüberhinaus in nationaler Ausstrahlung bedeutet, das erfüllt Hans Peter Feddersen für die Malerei. So sahen ihn - auch ohne jetzt beweiskräftig in die Rezeptionsgeschichte seines Werks tief einzutauchen - die Zeitgenossen, wenn u. a. Gustav Schiefler seine besondere malerische Potenz bei der Schilderung nordfriesischer Natur und Wesens hervorhebt: „Da ist er der eigentliche Feddersen. Denn in dieser Eigenschaft steht er als einziger da, und im Kranze deutscher Kunst ist sein Werk eine Blüte von selbständiger Bedeutung“ (Hans Peter Feddersen, ein nordfriesischer Maler, Auswahl aus seinen Werken mit Einführung von Gustav Schiefler, Glückstadt o.J. [1913]). So sehen wir ihn auch heute, die Liebhaber und Sammler seiner Bilder genauso wie Kritiker und Kunsthistoriker, die aus ihrer Profession heraus und im Vergleich zu anderen prominenten Künstler-Größen der Zeit ihre Urteile fällen. Hans Peter Feddersen schuf ein in höchsten Graden selbständiges Werk in Stil und Qualität, wobei er aktuelle Anregungen zwar aufnahm, sei es in Düsseldorf oder Weimar, sie aber kraftvoll eigenschöpferisch für seine spezielle künstlerische Begabung und Handschrift umwandelte. Exemplarisch dafür stehen seine Bilder aus der Zeit um 1900, die unverkennbar vom Jugendstil gestreift sind, dessen stilistische Wesenszüge er souverän auf seine Art schöpferisch durchdringt. So ist das künstlerische Werk Hans Peter Feddersens nicht anders als genuin zu bezeichnen, das – laut Jens Christian Jensen – nicht seiner Heimat allein gehört, sondern ebenso der deutschen Kunst auf dem Weg vom 19. Jahrhundert in die Moderne.
© 2009 - Dr. Bärbel Manitz, Kiel