Das Geburtsland wurde für mich bestimmend als Wegweiser meiner Kunstäusserung. Ich bin geboren am 1. Juni 1850 auf dem Gute Nehat in Estland, wo mein Vater damals weilte, um sich forstwissenschaftlich zu beschäftigen. Kurze Zeit danach zogen wir nach Hapsel. Dem Beruf meines Vaters habe ich wohl die sehr frühe künstlerische Entwicklung zu verdanken. Seine Stellung als Forstrevident der Reichsdomänen gab ihm die Pflicht, viele Fahrten im Sprengel zu unternehmen. Da er wohl sah, mit welchem Interesse ich schon früh Land und Leute beobachtete, nahm er mich, soviel es anging, auf jenen Fahrten mit. Auf den Gütern seines Sprengels empfing ich wohl die nachhaltigsten Eindrücke. Wie genoss ich die köstlichen Fahrten, die ich mit dem Gespann der Gutsbesitzer durchs Land machen durfte, immer schauend, beobachtend und zeichnend, und den Charakter von Land und Leuten dadurch so gründlich kennenlernend!
Als ich 9 Jahre alt war, zogen wir nach Reval, und ich besuchte das dortige Gymnasium. Hier hatte ich als Zeichenlehrer einen in Düsseldorf ausgebildeten Künstler mit Namen Sprengel. Dieser bewog auch später meinen Vater, mich nach Düsseldorf ziehen zu lassen und nicht nach Petersburg, wo meine Landsleute Gebhardt und Dücker studierten. 18 Jahre alt, machte ich mich auf nach Düsseldorf, wo nun auch die obengenannten Landsleute weilten, trat in die Akademie ein und kam nach Besuch der Zeichenklasse in die Antikenklasse. Eines Tages teilte mir Gebhardt mit, dass er gehört, dass Oswald Achenbach sich demnächst von dem Lehramt der Akademie zurückziehen würde; es wäre daher Eile nötig, wenn ich seine Landschaftsklasse noch besuchen wolle. Rasch entschlossen kam ich unter Beigabe meiner Arbeiten mit dem Gesuch um Aufnahme ein, und in kurzer Zeit hatte ich meinen Platz in der Landschaftsklasse.
Hier lernte ich Robert Meyerheim (den Vetter von Paul Meyerheim) kennen, und durch ersteren wurde ich mit Seibels bekannt, mit dem wir gemainsam Spaziergänge in Düsseldorfs Umgegend machten. Ebenso unvergesslich mir die so wertvolle Bekanntschaft mit Seibels war, ist mir auch die mit Maler Roth, der ein hervorragender Zeichner war und später in München lebte.
Nun zurück zur Landschaftsklasse und einen Blick getan in einen Korrekturtag von Professor O. Achenbach. Es ist morgens an einem schwülen Sommertag. Gewitter verheissend hängen schwere Wolken am Himmel. Die allgemaine Frage herrscht: "Wird der Professor kommen?" Die Arbeit ruht, und es wird Ausschau gehalten, ob er naht. Wir wissen, dass Achenbach als guter Ehegatte seine gewitterängstliche Frau an solchen Tagen nicht gern verlässt. - Aber er kommt dieses Mal dennoch! Wir eilen an unsere Plätze zurück, und die Korrektur beginnt, von einer Staffelei zur anderen fortschreitend. Wir Schüler begleiten ihn, denn was er über eine Arbeit sagt, ist auch für uns alle gemünzt. Bei der geistreichen Art, die ihm eigen war, schwindet die Stunde uns schnell dahin und gab uns nachher noch viel Gesprächsstoff. Mit köstlichem Humor deckte er die Fehler der Arbeiten auf, so bei einem unserer Mitschüler, von uns "Pommerchen" genannt, der auf des Professors Frage, was die etwas unklare Stelle bedeute, herausstotterte: "Ein wenig trockenes Wasser", ihm mit sarkastischem Lächeln antwortete: "Na, dann bringen Sie das mal fertig."
Nach beendeter Kerrektur warf er eine prüfenden Blick zum Himmel, sichtbar erfreut, dass das Gewitter sich verzogen. Die anregenden Tage seines Bleibens als Lehrer waren gezählt; vielleicht waren es 10 Korrekturen, die ich noch von ihm gehabt. Er nahm zu unserem Bedauern Abschied von der Akademie.
Ich nahm nun mit meinem Freunde Meyerheim ein gemeinschaftliches Atelier in der Adlerstrasse, später dann im eigenen Heim in der Kurfürstenstrasse, wo ich während der Wintermonate noch immer mich künstlerisch betätigte, während ich im Sommer in meinem Landhause in Hösel arbeite.
Prof. G. von Bochmann.