Zuerst meinen Dank für Ihren Brief, nach dem Ihr Vater und ich schon grosse Sehnsucht hatten.
Gottlob, dass Sie nun wohlbehalten und gut geborgen am Orte Ihrer Bestimmung angelangt sind und bereits auch dort im alten, guten, mir so lieben Düsseldorf Freundlichkeiten und Teilnahme gefunden haben. So haben Sie nun den ersten wichtigen, ja für die Zukunft entscheidenden Schritt getan, und dass Ihr Vorgehen auf der betretenen Bahn nicht nur von uns - Ihrem Vater, mir, Schlichting, Schlaters, Egold - sondern von der ganzen Stadt - ich kann es mit Recht sagen - mit der grössten Spannung, mit dem ungeteiltesten Interesse verfolgt werden wird, davon können Sie überzeugt sein. Man hofft Grosses von Ihnen, rechtfertigen Sie zu Ihrem Ruhm - Ihrer Vaterstadt zur Ehre - diese Hoffnung.
Weichen Sie nicht rechts, nicht links, vom gesteckten, schönen
Ziele ab, auch durch Täuschungen und bittere Erfahrungen nicht, die
Ihnen gewiss nicht erspart bleiben werden – halten Sie sich stets zu den
Besten und es kann Ihnen nicht fehlen. Einen kleinen Vorwurf kann
ich nicht umhin Ihnen gleich im ersten Briefe, den ich an Sie richte, zu
machen, hinsichtlich Ihres Schreibens an mich; allein das furchtbare Verbrechen
können Sie leicht wieder gut machen, wenn Sie sich bei Ihrem zweiten
Schreiben etwas mehr Zeit nehmen und mir ausführlicher über Ihre
Reise, sowohl zur See, wie zu Lande, und hauptsächlich über Ihren
Aufenthalt bei meiner Mutter und Schwester Mittheilung machen. Sie haben
das alles nur flüchtig angedeutet, dass wir uns gar kein Bild davon,
oder nur ein sehr dunkeles zu machen vermögen, und Klarheit ist, wie
Sie selbst wissen eine Hauptbedingung in jedem Bilde.
Als ich Ihren Brief empfangen hatte, der einen Tag nach dem Ihres Vaters
eintraf, machte er gleich die Rund hier in der Stadt bei einer Menge Leute,
die sich so lebhaft für Sie interessiren, und Abends im Club drehte
sich die Unterhaltung lange Zeit um Sie und Ihre Zukunft. Andreas
Koch, E. Gloy, Siegel, Roggenhagen und viele Andere trugen mir spezielle
Grüsse an Sie auf, deren ich mich hiermit entledige.
Nun möchten Sie wohl auch wissen, wie wir es jetzt hier treiben und wie es oben in unserem Atelier aussieht. Da muss ich Ihnen zunächst eine Neuigkeit erzählen, die Sie auch mit Interesse aufnehmen werden. Pezold ist seit acht Tagen Bräutigam von Fräulein Manny Müller, der reichen Tochter des Tuchhändler Müller und schwebt wie Sie sich denken können im zehnten Himmel. Der liegt nur leider etwas höher als unser Atelier und wenn das so fort geht, male ich drei so grosse Bilder fertig, ehe Petzold eins vollendet und behalte immer noch zu drei anderen vollkommen Zeit übrig.
Sie haben wohl noch selbst den Anfang seiner Malerei gesehen ? Er war ungemein fix damit, trotzt unserer Warnung, und als er endlich seine Architektur heruntergemalt hatte, sah die Geschichte, abgesehen von der schwindsüchtigen Farbe, recht sonderbar aus. Keine Linie stimmte und das ganze paste nicht zu den Figuren. Endlich sah ers ein, nachdem Schlichting [??] und ich ihm eines Abends gründlich die Hölle heiss gemacht hatten, dass die Geschichte ganz umconstruirt werden müsse. Nun aber verlor er die Lust und zeigte sich tagelang gar nicht. Dann nahm er wieder einen Anlauf, aber dabei bliebs, - er verlobte sich und nun kommt er vorläufig gar nicht mehr. Ich fürchte sehr dass er mit der Farbe nicht durchkommen wird.
Mein Carton schreitet etwas rascher vorwärts und hoffe ich ihn in 14 Tagen zu vollenden. Natur hab ich zum Carton noch garnicht benutzt, und will erst nach seiner Vollendung mit den Naturstudien zum Bilde selbst beginnen. Pollewitzky ist jetzt mein treuer Gefährte oben, quält sich ab, aber der arme Kerl hat grad zu wenig von dem, was Noth thut, um nur einigermassen einiges zu leisten, was nach künstlerischem Geiste richt. Ich habe nebenbei das Portrait des alten Hunnius fertiggemalt und ist es zur grossen Zufriedenheit Aller die ihn gekannt haben ausgefallen. Jetzt hab ich den höchst interessanten Kopf der Madame Bavant begonnen, den ich gleich so aufgefasst habe dass ich ihn als Studie zu meinem Bilde benutzen kann. Es ist ein wahres Vergnügen diese schöne Frau zu malen. Unsere Museumabende sind auch wieder in vollem Gange, morgen schon der vierte; die Damen [Seite 4] mit demselben Eifer, wie vergangenen Winter. Fräulein Gloy copirt das Strandbild von Ihnen, was Roggenhagen so freundlich war ihr zu leihen. Sonnabend Abends habe [ich] jetzt bis Ostern einen Cyclus von physikalisch geographischen Vorträgen im Handwerkerfortbildungsverein übernommen, in denen ich mit dem Oberlehrer Lais zusammen den Gesellen physikalische Experimente vormache, wobei sich die Leute famos amüsiren und *** nach einen Begriff von Dingen kriegen die sie bislang mit Abergläubischer Furcht anzusehen pflegten.
Sonst ist hier alles beim Alten. Nur noch dass wir seit einigen Tagen bereits unter hohem Schnee verborgen liegen, wie der Ratz im Loche. Zu Weihnachten fahre ich mit Ihrem Vater zu Ihrem Bruder zur Elensjagt worauf ich mich sehr freue. Schlater ist wieder recht krank gewesen, jetzt aber schon auf. Der arme Teufel kommt auf keinen grünen Zweig. Grüssen Sie Gebhard, Plathner, Brinckmann, Northen, Müller, Kals, Hiddemann und Alle die sich meiner noch erinnern bestens und schreiben Sie mir recht bald und recht ausführlich über Alles was Sie und Ihr Thun und Treiben betrifft. Sie wissen ja wie mich auch das Geringste in dieser Beziehung interessirt. Schlichting, Pezold, Schlater, meine Frau, Schwiegermutter und die Jungens grüssen Sie alle, auch mein Töchterchen das jetzt an zu sprechen fängt. Nun leben Sie wohl – seien Sie fleissig und guter Dinge !
In Liebe
Ihr A. Sprengel.
[Notiz am Anfang der Briefes, schräg geschrieben: ]
Sagen Sie Karl Schmidt, dass ich ihm sobald es mir möglich ist
sein Geld schicken werde und grüssen Sie ihn bestens!
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getippt im Juli 2001 von Gregor von Bochmann, mit der Hilfe von Dorothea
Peters (Berlin)